14.10.2025

Vielfalt im Boden – Vielfalt im Glas

Das Weingut der Stadt Stuttgart ist seit drei Jahren Bio-zertifiziert. Im Weinberg an der Mönchhalde wird ein besonderes Augenmerk auf die blühenden Kräuter zwischen den Rebstöcken von Riesling, Muskateller & Co. gelegt. Wichtig für den Bio-Weinbau ist auch ein aktives Bodenleben. Einen tiefen Einblick in den Weinbergboden am Killesberg bekamen die gut 25 Teilnehmenden am vorigen Dienstag beim HuMUS open im städtischen Weinberg, zu dem der Ernährungsrat StadtRegion Stuttgart e.V. und die Universität Hohenheim eingeladen hatten.

Was haben Unterhosen mit Biodiversität zu tun?

Diese Frage mag zunächst nach einem Witz klingen – doch wer am Dienstagabend den Weg in den städtischen Weinberg Mönchhalde des Weinguts Stuttgart gefunden hatte, bekam eine ziemlich erdige Antwort. Beim After-Work-Event des Ernährungsrats Stuttgart drehte sich alles um den Boden unter unseren Füßen – und darum, warum er so viel mehr ist als nur Erde.

Ein Abend zwischen Reben, Forschung und Erde an den Fingern

Das Motto der Reihe HuMUS open lautet: „Drei Kurzvorträge im Zehn-Minuten-Takt“. Mit einem Glas Wein in der Hand und der Abendsonne über den Reben war die Stimmung perfekt. Im Rahmen des EU-Projekts HuMUS wurde in den drei Beiträgen aufgezeigt, warum unsere Böden wertvoll, verletzlich und für unsere Ernährungssysteme unverzichtbar sind.

Dr. Joachim Ingwersen vom Institut für Bodenkunde und Standortslehre der Universität Hohenheim nahm die Gäste mit in die Tiefe – wortwörtlich. Direkt zwischen den Reben war mit einem Bagger ein rund 1,2 Meter tiefes Bodenprofil gegraben worden. Dort erklärte er anschaulich, was den Weinbergboden auszeichnet: ein besonders humusreicher Oberboden, der mit seiner dunklen Farbe zeigt, wie lebendig das Erdreich ist. Weiter unten stießen die Forschenden auf massive Dolomitsteinbänke – eine natürliche Wurzelbremse, wie Ingwersen erläuterte. Und dennoch: Mit einer nutzbaren Feldkapazität von rund 125 Litern Wasser pro Quadratmeter kann dieser Boden die Reben fast einen Monatlang mit Feuchtigkeit versorgen.

Von Dolomitgestein zu Baumwollunterhosen

Nach so viel Wissenschaft brachte Timo Saier, Leiter des Weinguts Stuttgart, den Boden wieder auf menschliche Höhe – und erklärte, warum die Aktivierung des Bodens durch Wurzeln, Kleintiere und Mikro-Pilze im Weinberg so wichtig ist. Denn im Bio-Weinbau muss auf chemische Dünger zur Versorgung der Pflanzen verzichtet werden.

Uli Ostarhild vom Ernährungsrat Stuttgart erläutert denUnterhosentest im Stuttgarter Weinberg. (S. a. Projekt „BeweisstückUnterhose“in der Schweiz)

Von der Wissenschaft zur Bürger-Wissenschaft

Die vielleicht ungewöhnlichste Demonstration der Veranstaltung, den Unterhosentest, übernahm Johanna Grund, Werkstudentin beim Ernährungsrat. Sie präsentierte das Citizen-Science-Projekt mit einem Augenzwinkern: Dabei werden Baumwollunterhosen im Boden vergraben – und nach acht Wochen wieder ausgegraben. Was sich zunächst nach einem kuriosen Experiment anhört, ist tatsächlich ein einfacher Indikator für Bodengesundheit. Je stärker die Unterhose zersetzt ist, desto aktiver ist das Bodenleben. Die frisch ausgegrabenen, löchrigen Exemplare sorgten jedenfalls für einige Lacher – und wohl auch für den einen oder anderen guten Vorsatz, es daheim mal selbst auszuprobieren.

Forschung zum Anfassen – und Mitmachen

Juliane Stoye vom Institut für Bioökonomie an der Universität Hohenheim stellte das EU-Projekt HuMUS vor: Stuttgart ist zusammen mit 16 weiteren Standorten in Europa ein Testfeld, wie Böden vor Versiegelung geschützt und fruchtbarer werden können.

Im weiteren EU-Projekt namens DeliSoil, an dem auch die Universität Hohenheim beteiligt ist, steht die Forschung zu sogenannten Bodenverbesserern – natürlichen Stoffen, die die Struktur und Gesundheit von Böden fördern können. Getestet werden dabei Materialien wie Schafwolle, Kaffeesilberhäutchen oder sogar Insektenkot von Mehlwürmern, die zu Pellets verarbeitet und in den Boden eingearbeitet werden. Ziel ist es, das Bodenleben anzuregen und die Fruchtbarkeit nachhaltig zu steigern. Anna Fath, Koordinatorinder „Living Labs“ des Projekts, zeigte mit Anschauungsmaterialien wie Schafwoll-Pellets oder Resten von der Kaffee-Röstung wie Kreislaufwirtschaft zur Bodenverbesserung künftig zum Business-Modell werden kann.

Die Botschaft aller Beteiligten zeigte klar, wie zentral der Boden für uns Menschen ist. Er erfüllt nicht nur klassische Grundfunktionen wie Lebensmittelanbau, Wasserfilterung und Biodiversität, sondern übernimmt auch eine soziale und ökologische Rolle: Er liefert Nahrungsmittel, unterstützt das Gemeinwohl und trägt zu intakten Ökosystemen bei.

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Info: Am Dienstag. 24. Oktober um 16:30 findet auf dem Bioland-Hof Brodbeck in S-Möhringen in der Reihe HuMUS open der 1. Stuttgarter BODEN-Tag statt (siehe Termine). Auch hier wird ein tiefes Profil in den Filder-Boden gebaggert, informiert und diskutiert. Der Ernährungsrat Stuttgart hat jüngst einen Aktionsplan für die erste StadtRegionale Ernährungsstrategie für Stuttgart veröffentlicht.

Infos zum EU-Projekt HuMUS.

Titelbild: Dr. Joachim Ingwersen, Uni Hohenheim (links) erläutert den Bodenaufbau im Weinberg Mönchhalde