Stuttgart treibt Ernährungswende voran – Aktionsplan vorgestellt
Mit einer Veranstaltung im foodsharing-Café Raupe Immersatt hat der Ernährungsrat StadtRegion Stuttgart den neuen Aktionsplan “Mehr als gutes Essen – From farm to fork aus Stuttgart und Umland“ für eine lokale Ernährungsstrategie vorgestellt. Gut 30 Interessierte aus Stadtgesellschaft, Politik und Praxis folgten der Einladung. Auf dem Podium diskutierten Tillmann Bollow, Fraktionsgemeinschaft SPD und Volt, Dr. Sebastian Karl, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dennis Landgraf, Tierschutzpartei, Die Linke SÖS Plus und Michael Warth, CDU-Gemeinderatsfraktion sowie Netzwerkpartner des Ernährungsrats.
Der Aktionsplan wurde gemeinsam im Netzwerk des Ernährungsrats erarbeitet. Acht Maßnahmen stehen exemplarisch für den angestoßenen Wandel in der Region. Sie reichen von landwirtschaftlicher Urproduktion über Bildungsinitiativen bis zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung. Die Kurzfassung des Plans ist online einsehbar (siehe Ernährungsstrategie).
Nachhaltige Ernährung beginnt bei der Landwirtschaft. Mit der Maßnahme „Gesellschaftsleistungen der Stuttgarter Landwirtschaft“ sollen bisher wenig beachtete Leistungen – etwa für Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit oder Umweltbildung – sichtbarer werden. Greifbar werden diese Themen mit der „Pilotschule Ernährungsbildung für Stuttgart“, mit der die Verbindung von Theorie und Praxis gestärkt werden soll. „Bildungsarbeit funktioniert dann besonders gut, wenn sie praxisnah und zum Anfassen ist“, betont Dennis Landgraf (Tierschutzpartei, Die Linke SÖS Plus) in der ersten Runde der Podiumsdiskussion, in der vier Stadträte des Gemeinderates der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) zu Wort kamen.
Ernährungssicherheit - ein zentrales Thema des Gesprächs mit der Kommunalpolitik, als auch mit der Praxis. „Dieses Thema muss unabhängig von wirtschaftlichen Interessen gedacht werden“, so Michael Warth (CDU-Gemeinderatsfraktion). „Es sollte darum gehen, unsere Ernährung auf sicherere Beine zu stellen für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter.“
Der Stadtrat Dr. Sebastian Karl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) erweitert die Notwendigkeit der Ernährungssicherheit um die Grundlage, die es für unsere Ernährung braucht und die es zu schützen gilt – unsere Böden. „Gesunde Ernährung beginnt mit gesunden Böden – diese Grundlage müssen wir sichern und vor weiterer Versiegelung schützen!“, so Dr. Karl. Mit der Maßnahme „Stuttgarter Flächenbörse“ können landwirtschaftlich geeignete Flächen in der Region sichtbar und nachhaltig nutzbar gemacht werden.
Außerdem wurde deutlich: Ohne bereichsübergreifendes Handeln geht es nicht. „Es braucht mehr Zusammenarbeit – über Zuständigkeitsgrenzen hinweg, sowohl innerhalb der Verwaltung als auch zwischen Stadt und Region.“, macht Tillmann Bollow (Fraktionsgemeinschaft SPD und Volt) deutlich. In der Stadtverwaltung engagiert sich etwa Sabine Weick (Klimafreundliche Ernährung, LHS) für ein systemisches Verständnis. Sie ist Teil der zweiten Podiumsrunde mit Stimmen aus der Praxis. Sie sagt „Ernährung ist ein echtes Querschnittsthema – es verbindet Klimaschutz, Gesundheit, Wirtschaft, Bildung, Armutsbekämpfung und Ernährungssicherheit. Um hier etwas zu bewegen ist der offene Austausch mit unterschiedlichen Akteuren wichtig“.
Doch gute Strategien allein reichen nicht. „Echte Ernährungssouveränität kann dann entstehen, wenn alle Beteiligten mitgestalten können“, erläutert Felix Kreise, Solidarische Landwirtschaft Stuttgart (SoLaWiS). Er bringt das Thema „Commons“ ein, selbstorganisierte Strukturen, die gemeinsame Anliegen und gegenseitige Unterstützung in den Mittelpunkt stellen und damit auch einen Lösungsansatz für die Versorgung in Krisenzeiten bieten.
Eine gute Versorgung für alle und zu jeder Zeit, dieses Ziel müssen wir uns setzen. Besonders betroffen sind Menschen in prekären Lebenslagen. Rund zehn Prozent der Stuttgarter Bevölkerung können sich nicht regelmäßig gesund und vollwertig ernähren stellt Philipp Morath, Bürgerstiftung Stuttgart (Projekt Supp_optimal) klar. „Dieses Problem braucht konkrete Lösungen – wie ein dauerhaft verfügbares Angebot kostenloser, gesunder Mahlzeiten“ sagt er. Eine zentrale Maßnahme dazu ist die „Stuttgarter Retterkette“, die ungenutzte Lebensmittel durch verbesserte Logistik und eine effizientere Vernetzung für soziale Angebote verfügbar macht. Denn, „was aktuell fehlt, sind praktikable Lösungen, um den logistischen Aufwand bei Lebensmittelspenden zu reduzieren“, verdeutlicht Maria Cefalu, Staiger GmbH, die mit Supp_optimal kooperiert.
Ernährung verbindet uns alle und macht die Zusammenarbeit unabdingbar. Der Ernährungsrat StadtRegion Stuttgart bietet eine Plattform, stellt wichtige Verknüpfungen her, baut Strukturen auf, vernetzt Menschen, Perspektiven und Lösungen für eine mehr als gute Ernährungin der StadtRegion Stuttgart. Das hat sich auch wieder bei der gemeinsamen Veranstaltung mit und in der Raupe Immersatt gezeigt: Neben intensiven Gesprächen und fachlichem Austausch sorgten gerettete, köstlich verarbeitete Lebensmittel von Supp_optimal für kulinarische Impulse – begleitet von der Ausstellung „Essen und Klima“ der Landeshauptstadt Stuttgart.